Die Berliner Wildnis

Wie der belgische Schriftsteller Geert van Istendael schrieb, wurde keine andere westeuropäische Großstadt mit soviel Totraum bekleckert wie die Stadt Berlin. Wer Berlin besucht, wird merken, dass im Laufe der Zeit – nicht zuletzt wegen der Bombardements im Zweiten Weltkrieg und der fast dreißig Jahre andauernden Teilung der Stadt – eigenartige Räume entstanden sind, die die Stadt eher zerklüften als gliedern. Auch wenn diese Transitzonen – die oft verwahrlosten und ungenutzten Brachen, die den Berlinern vor allem als Wildpinkel-Refugien dienen – allmählich dem Bauwahn geldgeiler Glücksritter und … WEITERLESEN

Der Mauerpark

Sie verspeisen nach stundenlangem Anstehen Berlins berühmtesten Döner am Mehringdamm und sind ein Weltenbummler der Lonely-Planet-Generation? Dann herzlichen Glückwunsch! Sie gehören zu den Leuten, die in Berlin am verhasstesten sind. Wie sowohl die Einwohner von Venedig als auch die Bewohner der Simon-Dach-Straße bestätigen können, lässt es sich da, wo andere Urlaub machen, im Allgemeinen schlecht leben. Welcher Berliner wird noch von sich behaupten, nicht eine abrupt aufwallende Abneigung zu verspüren, wenn er die Plastikräder der Rollkoffer über die Schweinebäuche rattern hört? Die Berliner Xenophobie … weiterlesen

Das Stadtschloss

Trauern Sie den blutigen Glanztaten der Hohenzollern-Monarchie nach? Halten Sie den Barock für Höhepunkt und Ende der Architekturgeschichte? Und glauben Sie, dass der Puls Berlins Unter den Linden am deutlichsten zu vernehmen ist? Dann besuchen Sie doch bitte die nach dem BER anmaßendste und nutzloseste Baustelle dieser Stadt. Berlin ist eine furchtsame Stadt. Die asketisch-mediokre Beamtenmentalität, die diese Stadt seit Jahrhunderten beherrscht, fürchtet Wildwuchs, Disparates, Verdichtung, bauliche Extreme und ganz besonders architektonische Visionen – kurz: alles genuin Städtische. … weiterlesen

Die Mauer

Allen restaurativen Bemühungen royalistisch versponnener Schloss-Erbauer zum Trotz läuft Berlin noch nicht Gefahr, zum Disneyland zu werden. Der Altstadtschwindel des Nikolaiviertels hat inzwischen gnädige Patina angesetzt und wer bitte (wenn er sich nicht gerade mit einem cartoonesken Komparsen in Grenzwärter-Kostüm ablichten lassen möchte) hält sich schon länger am nachgebauten Grenzhäuschen des Checkpoint Charlie auf? Nein, Berlin ist einfach nicht die Stadt der historisierenden Rekonstruktion. Nur für die Mauer hat man gerne eine Ausnahme gemacht. ... weiterlesen

Der Alexanderplatz

Haben Sie eine Schwäche für Stadtplanung vom Reißbrett? Sind Sie ein hartgesottener Anhänger gesichtsloser Urbanität? Fühlen Sie sich gern verloren? Und lieben Sie Zugluft? Dann besuchen Sie den Alexanderplatz. Sie werden nicht allein sein, aber Sie werden sich ebenso einsam fühlen wie all die anderen, die von den hier besonders ausgeprägten Lokalwinden über das Pflaster geblasen werden. Berlin ist eine breitgetretene Ansammlung mehrerer Dörfer. Dass die Bestimmung eines Zentrums in diesem Fall schwierig ist, liegt auf der Hand. Dass es sich bei diesem Platz um eines von zwei Zentren Berlins handelt, ... weiterlesen

Das Wegbier

Mögen Sie es, wenn bei jedem Beschleunigungs- oder Bremsmanöver der S-Bahn halbgeleerte Bierflaschen durch den Waggon rollen, wobei die in ihnen noch enthaltenen Höflichkeitsneigen malzduftende Lachen auf dem Boden hinterlassen? Finden Sie es plausibel, bei Minusgraden mit einem kühlen Bier in der blaugefrorenen Hand durch sogenannte Szenekieze zu streifen? Lieben Sie das Muster von Kronkorken in Ihrer Haut, nachdem Sie in einem verschwiegenen Park-Eckchen flachgelegt worden sind? Finden Sie es charmant, in Ihrer viel zu teuren Airbnb-Wohnung in bester Lage ... weiterlesen

Fahrradstadt?

Hören Sie den Berliner Hipster "Berlin is so great by bike!" sagen, haben Sie allen Grund, ihm zu misstrauen. Denn Berlin als Fahrradstadt ist die größte Hipsterlüge seit der Wiederbelebung des 80er-Jahre-Pornoschnauzbartes: ein Mythos, einstmals von Lifestyleblogs ins Leben gerufen und fortan von Hipstern sorgfältig gepflegt. Das Phänomen wird Ihnen sicherlich nicht unbekannt sein: Waghälse auf Vintage-Rennrädern oder, schlimmer noch, auf bremsenlosen Fixies, die sich durch die Stadt bewegen, als hätten sie einen Organspendeausweis. Nein, Berlin ist keine Fahrradstadt ... weiterlesen

Boxi

Sie mögen kleine, lauschige Stadtplätze? Baumumstandene Ruhezonen im Straßenlärm, sattgrüne, von Bänken gesäumte Wiesen unter den lichtdurchworfenen Baldachinen von Linden und Kastanien? Sie lieben das Rauschen der Blätter, das helle Lachen spielender Kinder und das traute Gemurmel ineinander versunkener Liebespaare? Sie mögen es, alten Pärchen zuzusehen, wie sie untergehakt durch die Rosenrabatten schlendern und die Spatzen füttern? Sie lassen sich gern in das saftige Gras sinken, um den Kondensstreifen am Himmel Botschaften zu entlocken? Dann meiden Sie den Boxhagener Platz ... weiterlesen

Die Spree

Flüsse können vieles sein – Lebensadern, Schifffahrtswege oder Grenzen – immer aber sind sie das Element, das der Ansiedelung von Menschen vorausgeht. Städte entstehen an Flüssen, sie folgen ihrem Verlauf, schmiegen sich in die mäandernden Bögen; Häfen und Piere öffnen den Stadtleib zum Wasser hin und stolze Brücken feiern den Strom, indem sie seine Breite beschreiben. Dresden liegt an der Elbe, Lissabon am Tejo und Bukarest an der Donau: Unübersehbar in diesen Orten ist die Ehrfurcht, die sich in dieser Formulierung ausdrückt – der Fluss ist es, der die Stadt prägt und bestimmt. Nicht so Berlin ... weiterlesen

Potsdamer Platz

Wer den Potsdamer Platz sucht, wird ihn nicht finden. Denn der Potsdamer Platz ist, wie so viele Plätze in Berlin, ich nenne hier nur den Innsbrucker Platz, den Rosenthaler Platz oder auch den Ernst-Reuter-Platz, ein Nicht-Ort, ein gesichtsloser Verkehrsknoten, der umherirrende, gehetzte Autofahrer, unter ihnen auch verzweifelte Touristen, schubweise in die umliegenden Bezirke schleust. Wer von Ihnen in der Idylle einer Kleinstadt aufgewachsen ist und unter einem Platz eine verkehrsfreie Fläche versteht ... weiterlesen

Zentren

Als erfahrener Reisender sind Sie bestimmt geübt darin, sich in fremden Städten zu orientieren. Sie folgen dem Gefälle, das sich durch die Lage in einem Talkessel ergibt, oder registrieren die zunehmende Verdichtung von Wohnen und Verkehr, wenn Sie sich vom Rand her auf die Stadtmitte zubewegen. Alle Städte mit einem gewissen Alter sind so gebaut – ihren Nukleus bildete einst eine Kirche, ein Hafen oder eine Festung. Sie meinen, dieses intuitive Wissen könnte Ihnen auch in Berlin nutzen? Vergessen Sie es ... weiterlesen