Boxi
Sie mögen kleine, lauschige Stadtplätze? Baumumstandene Ruhezonen im Straßenlärm, sattgrüne, von Bänken gesäumte Wiesen unter den lichtdurchworfenen Baldachinen von Linden und Kastanien? Sie lieben das Rauschen der Blätter, das helle Lachen spielender Kinder und das traute Gemurmel ineinander versunkener Liebespaare? Sie mögen es, alten Pärchen zuzusehen, wie sie untergehakt durch die Rosenrabatten schlendern und die Spatzen füttern? Sie lassen sich gern in das saftige Gras sinken, um den Kondensstreifen am Himmel Botschaften zu entlocken?
Dann meiden Sie den Boxhagener Platz!
Auf den Bänken werden Sie keinen Platz finden, dort siedelt der immergleiche Bodensatz des südlichen Friedrichshains: LSD-verwirrte, volltätowierte peruanische Musiker, sardinische Säufer mit Fäusten wie Schmiedehämmern, Frauen mit ledernen Gesichtern, die sich im Dauergespräch mit all ihren inneren Mitbewohnern befinden, bis auf ihren Weltschmerz abgemagerte Trinker, die ihren Anorak seit Dekaden nicht mehr ausgezogen haben, schwer vermittelbare autistische Jongleure, die schweigend und mit dem Stoizismus des Reisenden ihren nackten Oberkörper jedem Wetter darbieten. Von Bank zu Bank fliegt das rauchig pöbelnde Gebelfer der Betrunkenen wie fette, schmutzige Vögel. Um den Platz kreisen wie gierige Krähen die Flaschensammler mit ihren Einkaufswagen und die in mehrere Lagen stinkender Kleidung gehüllten Bettler, die sich nicht die Mühe machen, Ihnen eine aus dem Müll geklaubte Straßenzeitung vors Gesicht zu halten, sondern Geld fordern, als hätten Sie eine lange nicht beglichene Schuld nun endlich abzutragen, und Ihnen, wenn Sie nicht willens sind, giftige Worte oder fauligen Speichel ins Gesicht sprühen. Und nein – Sie werden sich nicht unter den Bäumen ausstrecken: In der gestampften Erde wächst schon lang nichts Grasähnliches nichts mehr, die Kronkorken der Wegbiere, Zigarettenstummel und Müll jeder Art bilden Ihr Lager und das Grölen der Banksitzer ist der Basso Continuo, über dem das Vogelgezwitscher sich erschreckt verliert. Auf dem nahen Kiesweg trippeln die Rattenfüßchen den Rhythmus des Abgesanges auf diesen Platz und der Duft, den jetzt ein Windzug an Ihre Nase trägt, ist der Duft des Urins, der aus dem Eingang des schon lang geschlossenen Toilettenhäuschens rinnt und im Straßenpflaster versickert.
MS